liebetiger  - Das Buch

 

 

Gott

Oh Gott, wenn es dich wirklich gibt, was mir bis heute ziemlich egal war, dann bring mich zu Ingo.
Jetzt, auf der Stelle. Sofort. Unverzüglich.
Das kannst du doch.
Du kannst doch auch Kindern das Leben nehmen, dann nimm doch auch das eines alten Mannes.
Was ist mit deiner Güte, du Gott?
Du allmächtiger Gott, du allmächtiger.
Du Herr über Leben und Tod. Du Herr über Gedeih und Verderb.
Verderb mich doch, wie du mir das Leben verdorben hast.
Komm doch her du Feigling. Du feiger Gott.
Mit kleinen Kindern kannst du dich anlegen. Versuch’s doch mal mit mir. Komm, mach schon, leg dich mit mir an.
Ich habe keine Angst vor dir. Mach mich tot oder ich poliere dir die Fresse. Ich schlag' dich windelweich, ich prügle dich grün und blau für das, was du meinem Tigi angetan hast.
Du hast nicht auf ihn aufgepasst, du hast deinen Job nicht gemacht, du bist entlassen, gefeuert. Fristlos. Endgültig.
Du hättest nur deine Hand dazwischen halten müssen oder ein wenig an der Zeit drehen. Dann wäre es nicht zum Unfall gekommen, dann wäre nichts passiert.
Du Gott, du bist doch dafür zuständig, dass nichts passiert. Du hast versagt, kläglich versagt, du bist ein Maulheld, ein dummer Schwätzer. Du hast einen Scheißjob gemacht.
Du hast versagt. Ganz kläglich versagt.
Komm doch her, wenn du dich traust.
Mach mich tot oder ich mach' dich tot. Töte mich, nimm mir das Leben, wie du Ingo’s Leben genommen hast. Einfach so, ratzfatz, weil es dir gerade so eingefallen ist.
War wohl gerade kein anderer da, an dem du deinen Frust auslassen konntest, was? War wohl gerade kein anderer da, an dem du deine Launen auslassen konntest? Aber jetzt bin ich da, stell dich doch du Feigling. Komm raus.
Komm runter.
Oder schick wenigstens einen Blitz oder öffne die Erde unter mir. Wenn du schon keinen Mut hast, dann sei wenigstens gnädig.
Nimm mein Leben, ich will es nicht mehr haben. Ich kann nichts mehr damit anfangen. Ich pfeif' drauf, nimm es dir. Oder soll ich es dir vielleicht auch noch nachtragen? Nachschmeißen würde ich es dir, wenn ich wüsste, dass es dich trifft.
Aber das ist dir doch alles egal, ist dir doch schnurzwurstegal.
Da stehst du doch drüber.
Was sind schon neunzehn Jahre für dich.
Nichts, gar nichts.
Für mich ist es Leben, sein Leben, unser gemeinsames Leben.
Es war kein leichtes Leben, wir haben es uns nicht einfach, nicht leicht gemacht.
Jetzt wären wir so weit gewesen.
Jetzt hatten wir das Schlimmste überstanden.
Jetzt hätte Ingo sein Leben leben können.
Sein eigenes Leben. Sein eigenes, selbständiges Leben.

Und du Gott hast es vermasselt.
 

© Rolf Robert - liebetiger 2002

 

 

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