Heidelberg, den 3. März 2003

Schön war es

Schön war es bei dir am Grab zu sein und in der warmen Frühlingssonne zu sitzen.

Niemand da der stört, während ich meinen Gedanken nachhänge.
Die Gräber sind noch ein bisschen verzaust vom Winter und harten Frost. Der Boden noch hart, aber an der Oberfläche regt sich schon erstes neues Leben. Vereinzelt sieht man schon Schneeglöckchen blühen und an den Weiden zeigen sich die ersten Kätzchen.
Ein wunderschöner Tag, den ich mit dir an diesem traurigen Ort verbringe. Langsam lasse ich meinen Blick über die Grabsteine schweifen.
Der Tod hat reiche Ernte eingefahren im Jahre 2000 des Herrn. Sieben Menschen hat er sich in diesem Jahr aus der kleinen Gemeinde geholt; mehr als in den folgenden drei Jahren zusammen. Es war kein gutes Jahr, dieses Jahr 2000, kein guter Beginn für ein neues Jahrtausend.
Sieben Menschenleben hat der Tod ein Ende gemacht, fünf davon im ersten Halbjahr, als hätte er sich mit einem Massaker auf das neue Jahrtausend eingestimmt. Zwei Leben hat er durch gewaltsamen Tod beendet. Links von dir ist Bruno begraben. Er hat sich selbst das Leben genommen, keiner weiß warum. Frau und Kinder hat er einfach zurückgelassen und ist, kaum 40 Jahre alt, fortgegangen.

Du wolltest nicht gehen. Du wolltest leben. Dein Leben fing gerade erst an. Die Schwelle vom Kind zum Mann lag nur wenig vor dir, als dich die Unachtsamkeit eines anderen das Leben kostete. Dich hat der Tod mitten im Leben erwischt. Ich verstehe bis heute nicht warum. Warum du? Warum ausgerechnet du?

Ich schließe die Augen und sehe dein Gesicht vor mir. Wehmütige Erinnerung macht mir die Kehle eng und schmerzt. Salziges Wasser findet seinen Weg unter den geschlossenen Lidern hervor und läuft kühl die Wange hinab. Doch es ist warm in der Sonne. Wie damals an dem Sonntag an dem wir die Strasse mit Musik gefunden haben.
Weißt du noch?

Ich werde es nie vergessen.
Ich weiß, du bist später diese Straße noch oft mit dem Motorrad gefahren.
Wir haben nie darüber gesprochen, aber ich kann mir vorstellen was du gefühlt hast.
Ich habe seit deinem Tod nicht mehr den Mut gehabt über diese Strasse zu fahren.
So vieles hat sich durch deinen Tod geändert.

Ich auch.
Ich denke an dich.
Ich dich auch „liebe tiger“