Frankfurt, den 25. Februar 2003

Hallo Tiger

Donnerstag komme ich dich wieder besuchen.
Ich habe mir viel Zeit für uns reserviert und kann lange bleiben.
Wenn das Wetter so schön ist wie heute, kann ich mich auf die Bank an deinem Grab setzen und wir können zusammen eine kleine Reise in die Vergangenheit machen. Zurück in die Zeit als die Welt für uns noch in Ordnung war. Als das tägliche Einerlei noch wichtig war und unser Leben dominiert hat. Ach hätten wir doch gewußt, dass die Zeit endlich ist. Jede Minute hätten wir ausgekostet, wenn uns das bewußt gewesen wäre.

So aber haben wir unsere Zeit mit Unwichtigem verbracht, viel zu wenig Zeit für uns verwendet.
Jetzt ist es zu spät.
Ich werde auf der Bank an deinem Grab in der warmen Frühlingsonne sitzen und du liegst im noch gefrorenen Erdreich. Genau an der gleichen Stelle wo wir dich vor fast drei Jahren begraben mussten.
Wir werden beide schweigen und unseren Gedanken nachhängen, bis die Zeit kommt und ich wieder gehen muss.
Dann werde ich die Hand auf deinen Grabstein legen, einen letzten intensiven Gedanken mit dir teilen und wieder einmal Abschied nehmen. “Leb wohl Tiger”, werde ich sagen, “und pass auf dich auf, da wo du jetzt bist. Ich vermisse dich, jeden Tag, jede Stunde. Ich liebe dich, ich dich auch liebe tiger”.

Es fällt mir immer schwer die Hand vom Grabstein zu lösen, mich abzuwenden und zwischen den Gräbern davon zu gehen. Ein letzter Blick noch über die Schulter, ein letzter Blick zurück, dann schlägt das quietschende Eisentor hinter mir zu.

Bis nächste Woche Tiger.
Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen.

Ich dich “liebetiger”.