Frankfurt, den 9. Mai 2003

Leben ohne Dich

Heute, heute genau vor drei Jahren bist du von mir gegangen.
Mehr als tausend Tage bin ich nun schon ohne dich.

Und doch ist es mir so, als wäre alles erst gestern geschehen. Die durch deinen Tod geschlagene Wunde ist frisch, offen, tut weh wie am ersten Tag. Sie heilt nicht, vernarbt nicht, schmerzt und ist mir allgegenwärtiger, ständiger Begleiter.

Der Schmerz und die Verzweiflung über deinen unsinnigen Tod brennen mir in der Kehle. Dein Verlust lenkt meinen Blick suchend und ruhelos schweifend über die Gesichter der Menschen die täglich an mit vorübergehen. Ich schaue in ihre Gesichter und suche eigentlich nach dir. Ich sehe sie fragend an und sehe ihre Blicke verständnislos ausweichen.

Ob sich das ändert?
Ich weiß es nicht!
Was sich geändert hat?
Ich! Ich habe mich verändert!

Mein Leben hat sich verändert. Meine Tage und meine Nächte sind anders geworden. Die Leichtigkeit und Sorglosigkeit ist gegangen. Die Freude und das Lachen sind anders, ruhiger geworden. Auch vorsichtiger, hintergründiger und tiefsinniger.
Meine alten Freunde sind gegangen, sie haben es mit mir nicht mehr ausgehalten. Oder ich habe es mit ihnen nicht mehr ausgehalten. Wer weiß das schon? Eigentlich ist es auch egal.
„Freunde in der Not, gehen Tausend auf ein Lot“, sagt ein altes Sprichwort. Es hat weh getan, wie sie sich abgewendet haben und wie ihnen andere Dinge wichtiger geworden sind. Ich habe ihnen nachgesehen. Manchen nur kurz, manchen sehr, sehr lange. Konnte es nicht glauben, dass sie gehen. Konnte nicht glauben, dass ich ihnen zuviel war. Konnte nicht glauben, dass sie mich im Stich lassen. Konnte nicht glauben, dass ich ihnen auf die Nerven gegangen bin, dass sie keine Geduld mehr mit mir hatten. Konnte nicht glauben, dass sie mein stummes „Warum“ und meinen fragenden Blick nicht mehr ertragen konnten.

Die Zeit hat andere Freunde gebracht, aber weniger. Ich habe sie in der Trauer kennen gelernt, vielleicht gehen deshalb diese Freundschaften tiefer, sind anders.

Ich lebe anders.
Ruhiger. Stiller. Zurückgezogener.
Lebe mehr für mich.
Lebe ohne dich.
Muss ohne dich leben.
Muss leben.
Muss noch leben.
Muss noch bleiben.
Darf noch nicht gehen.
Noch nicht.
Noch nicht jetzt.
Muss noch warten.

Du bist tot. Und ich lebe.
Aber es ist ein anderes Leben. Es ist ein Leben ohne dich.
Dein sinnloser Tod hat nicht nur mein Leben, sondern auch meine Zukunft verändert. Er hat mir unsere gemeinsame Zukunft genommen und mir eine andere, ohne dich, gegeben. Aber diese Zukunft will ich nicht haben. Ich mag diese Zukunft ohne dich nicht.

Du fehlst.
Du fehlst mir.
Du fehlst mir sehr.
Du fehlst mir unendlich.

Ich würde dich gerne noch einmal in den Arm nehmen.
Dürfen.
Können.
Drücken.
Halten.
Und deine Nähe spüren.

Besonders heute.
An dem Tag als es dich aus deinem Leben gerissen hat.
Weg von mir.

Ich liebe dich.
Ich dich „liebetiger“.
Leb wohl und pass auf dich auf.
Ich dich „liebetiger“.