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#: 1181 | ![]() Lieber Vater von Ingo, | mit Bedauern habe ich Ihre Zeilen gelesen. Den Schmerz, den Sie über die letzten fast 23 Jahre fühlen müssen, kann ich nur bedingt nachempfinden. Zwar habe auch ich schon geliebte Menschen verloren, aber nicht mein eigenes Kind. Trotzdem kann ich erahnen, wie Sie sich fühlen. Daher kann ich nachvollziehen, weshalb Sie handeln, wie Sie handeln - es ist ein mutiger, ein schmerzvoller Schritt, das Grab nicht mehr weiterzuführen. Die Zeit verrinnt, das Leben 'geht weiter', wie es andere immer sagen - wir können uns alle nicht davon befreien. Auch wir werden irgendwann eins sein mit der Erde - in welcher Form auch immer. Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass Ingo nicht vergessen wird. Es gibt Menschen, die sich an ihn erinnern werden. Auch, wenn ich eine Fremde bin, die Ihrem Sohn und Ihnen nie begegnete, so werde ich dennoch an Sie denken. An Sie und Ihren Sohn. Immer mal wieder wird er seinen Weg in meine Gedanken finden, ganz so, wie es die letzten Jahre der Fall war. Verlieren Sie nicht den Glauben an das Gute. Wenn es schon nicht das Gute im Menschen ist, so doch das Gute in der Natur, in den Tieren.. Im Dasein. Solange Leben existiert, existiert auch Ihr Sohn. Existieren Sie. Geben Sie nicht auf. Sie sind nicht alleine. Ich bitte Sie darum. Mit vielen Grüßen Ihr Mondkind
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#: 1180 | ![]() Ein letztes Wort. | Ein letztes Wort an alle, die hier lesen. Mehr als zwanzig Jahr sind seit Ingos Tod nun schon vergangen. Das ist länger als er leben durfte, bevor er getötet wurde. Bald ist die Ruhezeit vorbei, die ein Verstorbener nach der Beisetzung im Grab verweilen muss oder darf, denn dieses kleine Stückchen Erde, das man ihm gelassen hat, das unterliegt der Friedhofsordnung der Gemeinde, in der sich die Grabstelle befindet. Daher wird Ingos letzte irdische Ruhestätte in naher Zukunft von Amts wegen aufgelöst werden, sofern kein Angehöriger eine Verlängerung der Ruhezeit begehrt. Ich bin einer der wenigen Angehörigen und hatte nun viele Jahre Zeit um darüber nachzufühlen, denn nur mit Verstand und Vernunft allein kann man eine so schwerwiegende Entscheidung, sein eigenes Kind ein zweites Mal zu verlieren und seine irdische Existenz endgültig auszulöschen, nicht treffen. Obwohl das eine sehr private und sehr persönliche Entscheidung ist, möchte ich sie dennoch begründen, denn sie hat etwas mit unserer Gesellschaft und unserem Umgang mit den Toten zu tun. Räumlich bin ich schon seit Jahren weit weg von diesem Grab, doch meinem Sohn Ingo als einmaligem Menschen emotional immer noch so nah wie am Tag seiner Geburt und weit über den Tag seines unsinnigen Todes hinaus. So mühsam wie ich als Kind Gehen gelernt habe, musste ich lernen mit Ingos Tod leben zu können. Anfangs bin ich nur gekrochen, gekrabbelt und habe mich dahingeschleppt. Immer wenn ich meinte mich aufrichten und alleine Stehen zu können, bin ich wieder gestürzt oder in die Knie gegangen. In dieser Phase meines Lebens habe ich ein Buch geschrieben, eines das ich heute so nicht mehr schreiben würde. Doch damals war es für mich eine Art Selbsttherapie, eine Verzweiflungstat aus einer hilflosen Notsituation heraus in der ich irgendetwas tun musste, das meinem Leben noch einen Sinn und ein Ziel gab, denn sonst hätte ich mein sinnlos gewordenes Leben selbst beendet. Doch so wie ich als Kind Sprechen lernen musste um mich verständigen zu können, musste ich lernen über meinen Sohn und die Zeit mit ihm zu sprechen, ohne dass mir die Stimme versagte, mir der beißende Schmerz das Gesicht verzerrte und mir das salzige Wasser aus den Augen rann, denn in diesem Zustand war ich für Andere unerträglich. In den Jahren nach seinem Tod habe ich nach Worten und Antworten gesucht, Sätze konstruiert und Briefe an Menschen geschrieben, die ich nicht persönlich kannte, deren Schicksal ich aber teilte. Auch unzählige Briefe an Behörden, Versicherungen, Rechtsanwälte und Gerichte habe ich geschrieben, doch verwaiste Eltern und ihre getöteten Kinder sind nur Opfer und haben keine Lobby. Es war völlig sinnlos auf irdische Gerechtigkeit zu hoffen, denn diese Gerechtigkeit verbirgt sich nicht nur hinter einem Wall aus gesetzlichen Paragraphen, juristischen Winkelzügen und menschlichem Desinteresse, sondern lässt auch die Zeit für sich arbeiten. Es ist Zeit, die Hinterbliebene nicht haben, denn ist der Sarg erst mal zu, der Leichnam unter der Erde und über den Schuldigen ein mildes Urteil gefällt, ist die Sache für die Behörden erledigt. Die Akte wandert ins Archiv und wird vergessen. Doch ich konnte nicht vergessen und ich wollte auch gar nicht vergessen, denn neunzehn Jahre lang hatte ich ein Kind, einen Sohn, einen lustigen, fröhlichen Lausbub, einen verspielten Träumer, um den ich mich sorgte und ihn beschützte. Ich habe ihn aufwachsen sehen, seine selbstgemalten Bilder, die Konstruktionen aus Bauklötzen und die endlosen Autoschlangen durch die ganze Wohnung bewundert. Ich habe ihm beigebracht wie man Hose, Hemd und Socken anzieht, Schuhe schnürt, mit Messer und Gabel isst und wie man alleine auf die Toilette geht, und dass man „bitte“ und „danke“ sagt und nicht „ich will“. Ich war an seinem ersten Schultag dabei, habe ihn mit seiner Schultüte fotografiert und gelacht, weil er danach meinte, er würde da am nächsten Tag nicht mehr hingehen. Ich habe über die Wunden gepustet und Pflaster geklebt, wenn er wieder mal vom Fahrrad oder vom Skateboard gestürzt war. Ich habe ihm Schwimmen und Tauchen gelernt und die Unterschiede zwischen Arschbombe, Kopfsprung und Bauchklatscher gezeigt. Dieser kleine Mensch ist ins Wasser gesprungen, weil er mir vertraut hat, weil er mich geliebt hat und wusste, dass ich ihn liebe und ihn nicht im Stich lassen werde. Wir haben zusammen gelebt, wie haben zusammen gelacht, wir haben miteinander diskutiert und wir haben natürlich auch miteinander gestritten und um den Sieg gekämpft. Das alles kann man nicht einfach vergessen, der Verlust bleibt, das zerrt, das schmerzt, das tut weh, sehr weh. Das sind Emotionen, da liegen die Nerven blank, da sind Wut und Enttäuschung die täglichen Begleiter und die nächtlichen Träume ein ständiger Versuch aus einer unerträglichen Situation auszubrechen, um das Geschehene rückgängig zu machen. Doch der Verlustschmerz und die Konsequenzen des Todes bleiben existent, sie sind da, bestimmen und beeinträchtigen die eigene Zukunft, werden mit der Zeit nur besser verpackt, vielleicht auch konserviert, um selbst noch leben und weiterhin existieren zu können. Nun wird auch mein Lebensweg in einigen Jahren, vielleicht schon früher, wer weiß das schon, zu Ende gehen. In meinem Fall ist der Kreis der möglicherweise Trauernden sehr übersichtlich und sicher kleiner als die Zahl der Erbberechtigten zu denen sich dann auch noch zu allem Übel der deutsche und der französische Staat gesellen werden. Außer den Büchern die ich über Ingo und die Briefe, die ich an ihn geschrieben habe, wird nach meinem Tod nicht viel bleiben, was an ihn erinnert. Selbst das Internet hat von den Juristen ein Recht auf Vergessen bekommen, denn dieses Vergessen erleichtert vielen Menschen das oberflächliche Leben ihrer irdischen Existenz und nimmt ihnen die Verantwortung für ihr soziales Verhalten. Der Himmel, der Tod und das Fegefeuer haben ausgedient und wurden durch Regelwerke der sogenannten „sozialen Medien“ ersetzt, von denen kaum jemand weiß welche dubiosen Kräfte dahinter wirken und wer seinen Nutzen aus der Naivität vieler Menschen zieht. Völlig sorglos landet selbst Intimstes aus dem Beichtstuhl in der himmlischen Cloud, von der noch nicht einmal die Internetfreaks sagen können, wo sich dieses Gebilde konkret befindet, denn alles ist nur noch virtuell. Ohne Smartphone ist ein Mensch schon heute nicht mehr existent und ohne Preisgabe seiner biologischen Daten wird man vielleicht schon in naher Zukunft noch nicht einmal mehr ein Toilettenhäuschen öffnen können. Doch ein Mensch ist weit mehr als seine Daten, ein wahrer Freund mehr wert als Tausende von Followern und eine intakte Familie weit mehr als nur eine virtuelle Clique von Gleichgesinnten. Was wir erleben ist die Inflation unserer gesellschaftlichen Werte, der fehlende Respekt vor dem Anderen, die ungewisse Zukunft der Kinder, die Missachtung der Älteren und die Geringschätzung ihrer Lebensleistung. Es ist kalt geworden in unser enger werdenden Welt, in der Schuldzuweisungen das eigene Unvermögen begründen und Ellenbogen und der Tritt in die Kniekehle der Anderen den Erfolgreichen auszeichnet Es sind nicht nur die Lügen der Politiker, nicht nur das Versagen der Medien und die Raffgier der Reichen, sondern vor allem die Ideologie der vermeintlich Besserwissenden und der missionarische Eifer, mit dem sie versuchen Andersdenkenden ihren Glauben aufzuzwingen. Wer seine Eltern und Großeltern als Feinde betrachtet und ihnen ständig die Schuld für die Vergangenheit zuschiebt, der hat seine eigene Gegenwart nicht begriffen, den Grund seiner Existenz nicht verstanden und hat nichts als nur panische Angst vor der eigenen Zukunft. „Das ist nicht mehr mein Land“, hat eine Politikerin im Jahr 2015 gesagt und obwohl sie es völlig anders gemeint hat, spricht sie mir aus dem Herzen, denn dieses Land, das sie für sich in Anspruch nahm, das ist nicht mehr meine Heimat und einer solchen Gesellschaft möchte ich noch nicht einmal mehr meinen toten Sohn anvertrauen. Es fällt mir zwar unendlich schwer, aber ich werde für Ingos Grabstelle keine Verlängerung der Ruhezeit begehren. Ich werde ihn als Erinnerung mit mir nehmen, nichts wird bleiben und es soll sein, als hätte es uns beide nie gegeben.
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#: 1179 | ![]() Ingo! Geburtstagskind! Alles Gute für Dich. Lass dich feiern. Und pass' auf deine Lieben auf. |
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#: 1178 | ![]() Lieber Ingo, ruhe sanft. |
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#: 1177 | ![]() Mein lieber Tiger, | wenn am frühen Morgen die Nebelfetzen vom nahen Fluss um die Wipfel der alten Platanen wabern und die noch nachtkühle Feuchtigkeit von den bronzefarbigen Blättern tropft, dann dauert es meist nicht mehr lange, bis sich der östliche Horizont langsam im rotgoldenen Licht der aufgehenden Sonne färbt und die Sicht freigibt auf die herrlichen Eichen- und Kieferwälder der Gascogne. Es ist ein schönes Schauspiel und genau die richtige Zeit, um mit der zweiten Tasse Morgenkaffee im Rahmen der offenen Terrassentür zu lehnen, wehmütig in Erinnerungen zu kramen und gedankenverloren in mich hineinzuhören. Denn immer noch versuche ich irgendwie zu verstehen wie alles kam, suche nach dem Sinn, frage mich was Ursache, was Wirkung, was Fügung oder was einfach nur eine Laune des Schicksals war. Spätestens dann, wenn die gleißende Sonne am Horizont aufgestiegen ist oder die nackten Waden unter dem etwas zu kurzen Morgenmantel vor der morgendlichen Kühle kapitulieren, wird es Zeit die Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen. Mit dem letzten Schluck kalt gewordenen Kaffee spüle ich den schalen Geschmack aus der Mundhöhle und gehe mit der allgegenwärtigen Erkenntnis zurück ins Haus, dass die Zeit in der Erinnerung wie ein einziger Tag ist und die Ereignisse der Vergangenheit einer eigenen Logik unterliegen. Heute, auf den Tag, ist diese diese Erinnerung nun schon 22 Jahre alt, doch immer noch denke ich an dich und habe dich lieb wie am ersten Tag. Pass auf dich auf, wo immer du auch bist. Ich dich "liebetiger".
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#: 1176 | ![]() Lieber Tiger | heute, an einem Sonntag, ist dein Geburtstag. Es ist wieder einer der Geburtstage, die ich ohne dich feiern muss. „Ohne dich“, wie sich das anhört, so als wärst du gerade mal nicht da, terminlich verhindert, als müssten die Feierlichkeiten wegen Abwesenheit des Jubilars nur um ein paar Tage verschoben werden. Aber in den vielen Jahren seit deinem Tod sind zu viele Geburtstage um zu viele Tage verschoben worden. Aus all den Erinnerungen an dich, die ich immer noch in mir trage, ist eine Erzählung geworden, an der ich seit deinem Tod geschrieben habe, aber nie fertig geworden bin. Immer wieder, wenn die Erinnerung an dich besonders schmerzlich wurde, habe ich die Geschichte erneut gelesen, habe Fehler korrigiert, neue Worte gesucht, Sätze geändert, neue eingefügt und dabei Trost gefunden. Jetzt ist der Text soweit fertig, dass man ein Buch daraus machen kann. Einen Umschlag mit deinem Bild habe ich auch schon entworfen. Nun werde ich das Buch drucken lassen und all jenen Menschen schenken, die sich an dich erinnern. Alles Gute zum Geburtstag Ich dich „liebetiger“
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#: 1175 | ![]() Lieber Tiger, | ich bin nicht mehr dort, wo wir zusammen gelebt haben. Ich bin nicht mehr dort, wo das alles geschah. Ich bin nicht mehr dort, wo seit Jahren dein Grab ist. Dort, wo unser gemeinsames Leben so abrupt zu Ende ging, bin ich schon lange nicht mehr gewesen. Aber ich bin bei dir, so wie alle die Jahre. Ich habe dich in meine Erinnerungen gepackt und mitgenommen in ein anderes Leben in einem anderen Land. Ich trage dich immer bei mir. Noch nie warst du mir Last, auch wenn das Erlebte manchmal schwer zu ertragen ist. Wenn ich in Gedanken bei dir bin, dann bist du mir so nah wie am ersten Tag. Bei aller Trauer, die dein früher Tod mit sich brachte, ist es schön an dich zu denken. Auch heute an deinem Todestag. Ich dich "liebetiger".
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#: 1174 | ![]() Happy birthday Tiger. | Alles Gute zum Geburtstag. Es wäre dein Vierzigster. Ja, so lange ist das schon her. Heute vor vierzig Jahren haben wir uns zum ersten Mal gesehen und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich habe damals gewusst, dass du mein Sohn, denn wir haben die gleichen Augen. Aber ich glaube nicht, dass du mich damals als deinen Vater erkannt hast. Trotzdem ist die Erinnerung an diesen einzigartigen Moment schon, denn viel mehr als Erinnerungen sind mir nicht geblieben. Ich werde heute eine gute Freundin anrufen, denn sie hat auch am 13. Februar Geburtstag, ist allerdings um viele Jahre älter. Sie weiß warum ich ihren Geburtstag nicht vergesse und sie weiß auch, dass ich an diesem Tag das Bedürfnis habe mit jemand zu reden, der mich versteht ohne Fragen zu stellen. Fragen, die ich auch heute noch nicht beantworten kann, ohne salziges Wasser in den Augen zu haben. Mit dir kann ich nicht mehr reden, aber wir verstehen uns dennoch so gut wie am ersten Tag. Ich werde heute an dich denken, an die Zeit mit dir und wie schön sie war. Alles Gute zum Geburtstag. Ich dich "liebetiger".
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#: 1173 | ![]() Lieber Tiger, | Wir sind geboren um zu sterben und die Zeit zwischen diesen beiden individuellen Ereignissen nennen wir Leben. Dein Leben hat nur neunzehn Jahre gedauert, mehr hat die Zeit dir nicht gegönnt. Heute auf den Tag genau sind es nun zwanzig Jahre her, dass dein Leben durch die Schuld eines Anderen beendet wurde. Ich habe mich in dieser Zeit oft gefragt, warum das dir geschehen ist und ich habe bis heute keine Antwort darauf gefunden. Die Welt ist durch deinen sinnlosen Tod keine andere geworden, doch mein Leben hat sich verändert, denn es ist ein Leben ohne dich. In Gedanken bist du bei mir und die Erinnerungen an dich sind so wach wie am ersten Tag. Aber ich kann dich nicht mehr in die Arme nehmen und kann dein unvergleichliches Lächeln nicht mehr sehen. Ohne dich ist mein Leben ärmer geworden, denn du fehlst mir und ich vermisse dich jeden Tag. Die Last, die mir dein Tod auferlegt hat ist mit den Jahren nicht leichter geworden, aber ich habe gelernt sie zu tragen ohne zu klagen. Doch ich bin nachdenklicher geworden und Freunde sind mir weniger geblieben als meine Hand Finger hat. Ich bedauere das nicht, denn ich bin sicher auch nicht ganz unschuldig daran. Ja, ich bin für Andere ein schwieriger Mensch geworden, denn ich rede nicht viel obwohl ich viel zu sagen hätte, behalte aber meine Gedanken lieber für mich und meide den Umgang mit Menschen die mir zu oberflächlich sind. Nun bin ich in einem Alter, in dem es nicht schadet, wenn man über seinen eigenen Tod nachdenkt und Vorbereitungen für die letzte Reise trifft. Es ist seltsam wie leicht mir das fällt und wie einfach es im elektronischen Zeitalter ist seine Spuren zu löschen. Der Mann, der ich einmal war, ist vor zwanzig Jahren mit dir gestorben. Zurück blieb ein verwaister Vater, dessen Welt zusammengebrochen ist. Damals bin ich an der Gleichgültigkeit und dem Unverständnis anderen Menschen verzweifelt. Nun ist es mein Ziel diese Welt so zu verlassen, als ob es mich nie gegeben hätte. Ich wünsche dir und mir ein langes Leben. Irgendwo und für alle Ewigkeit. Wir sehen uns. Ich dich „liebetiger“
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#: 1172 | ![]() Lieber Tiger, | heute, auf den Tag genau vor 39 Jahren wurdest du geboren und ich erinnere mich noch in vielen Details daran. Es war ein Freitag, wir hatten schon früher mit dir gerechnet und ich hatte insgeheim gehofft, dass du dir Zeit bis zum Samstag lassen könntest, denn ich hatte an diesem Freitag wichtige Geschäftstermine. Ich habe deine Mutter am Morgen noch in die Klinik gefahren und dort auf deine Ankunft gewartet, doch um die Mittagszeit stand ich wie auf glühenden Kohlen und bin in die Firma. Die war damals noch klein und überschaubar und niemand hat daran gedacht, dass daraus einmal das wertvollste deutsche Unternehmen werden würde. Als ich dich dann am Abend zum ersten Mal sah, ging es dir nicht gut. Du lagst mit zugeklebten Augen unter UV-Licht im Brutkasten. Die Zahl der Leukozyten in deinem Blut war zu hoch und Fruchtwasser hättest du geschluckt, haben die Ärzte gesagt. Ganz leise habe ich deinen Namen gesagt und du hast den Kopf in die Richtung meiner Stimme gedreht. Von diesem Moment an habe ich dich geliebt. Nicht dass vor diesem einmaligen Moment nichts gewesen wäre, aber danach war für mich alles anders. Es war der Beginn von etwas völlig Neuem, so wie der erste Schultag, der erste Kuss, das erste Auto und dieses erste Mal markiert einen Platz in der Erinnerung für eine ganze Ewigkeit. Ich danke dir dafür, dass du mein Sohn warst und ich danke dir dafür, dass ich dein Vater sein durfte. Heute weiß ich, dass es eine schöne Zeit war, damals war mir das nicht immer bewusst. Alles Gute zum Geburtstag und pass auf dich auf, wo immer du auch bist. Ich dich „liebetiger“.
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#: 1171 | ![]() Lieber Tiger, | wenige Tage vor deinem letzten Geburtstag hat du deine Wünsche auf einer Floppy-Disk gespeichert und vielleicht auch auf Papier ausgedruckt. Wo das Papier ist weiß ich nicht, aber die Floppy-Disk, die habe ich noch. Das Laufwerk in dem alten Computer rattert zwar ein bisschen gequält und lässt sich ewig Zeit bis es deine Wünsche am Bildschirm anzeigt, aber es funktioniert noch. Ein Trikot der Adler Mannheim wolltest du haben und Karten für ein Spiel des FC Bayern München. Alternativ eine CD mit NHL2000 oder FIFA2000. Ich habe dir damals das Trikot der Adler Mannheim geschenkt, denn denn wir waren oft zusammen im Stadion am Friedrichspark und der FC Bayern München war noch nie so mein Ding. Aber heute würde ich dir jeden deiner Wünsche zweimal erfüllen, denn nur drei Monate später bist du gestorben. Dein Geburtstagsgeschenk wurde mit dir begraben. Neunzehn Jahre ist das jetzt her und die Erinnerung an dich tut so weh wie am ersten Tag. Pass auf dich auf, wo immer du auch bist. Ich dich „liebetiger“.
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#: 1170 | ![]() Um eine Leere beschreiben zu können, deren Unendlichkeit ein eigenes Universum füllt, habe ich nach so langer Zeit keine Worte mehr. | Es ist nicht Nichts, was neben der Sprachlosigkeit bleibt, wenn man die Fassungslosigkeit überwunden zu haben glaubt und schmerzliche Erinnerungen die Zukunft bestimmen. Aber es ist nicht mehr das was es einmal war und die Gewissheit, dass es nie mehr so sein wird, diese Gewissheit muss man erst einmal ertragen lernen. Ich habe mich eingewöhnt, habe mich an das Leben der Anderen angepasst und bemühe mich deren Unbekümmertheit verstehen und ertragen zu können. Doch über allem schwebt das selbst Erlebte. Noch immer ist der Lärm von spielenden Kindern für mich ein Ohrenschmaus, noch immer habe ich das Verlangen einen auf mich zu rollenden Ball als Bananenflanke zurückzukicken und noch immer macht es mir Freude die neugierige Aufmerksamkeit von Kindern zu wecken und ihre Begeisterung zu genießen. Ich glaube, aus mir hätte ein guter Opa werden können, wenn du die Zeit dazu gehabt hättest eine Familie zu gründen, Vater zu werden und mir nicht nur eine Schwiegertochter zu geben sondern auch einen, vielleicht auch mehrere, Enkel zu schenken. Doch irgendjemand hat Schicksal gespielt, hat dir dein junges Leben genommen, mein Vaterleben zerstört und mir statt einer zuversichtlichen Zukunft nur die emotionale Einsamkeit und die individuelle Trauer gelassen. Und wenn ich heute nur noch „alles Gute zum Geburtstag, lieber Tiger“ sagen kann, dann wissen nur wenige, dass diese Worte aus der Tiefe meines Herzens kommen. Ich dich „liebetiger“ und pass auf dich auf, wo immer du auch sein magst.
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#: 1169 | ![]() Lieber Tiger, | anfangs habe ich meine Trauer über deinen Tod wie ein Schutzschild vor mir her getragen und immer auf emotionalen Abstand zu anderen Menschen geachtet. Mein Gesicht war lange Zeit eine auf ein Visier gemalte Maske, immer freundlich und lächelnd, aber dahinter distanziert und empfindlich wie eine Mimose. Dahinter, tief innen drin, da wo die Chirurgen auch heute noch nach der Seele suchen, da war der Schmerz. Da war die Traurigkeit, die Sehnsucht, die Zweifel und auch die Verzweiflung, die sich nagend durch Körper und Geist fraß, wie Blei durch die Adern floss, sich schwer auf den Brustkorb legte und den Geschmack im Mund bitter werden ließ. Im Laufe der Jahre ist aus meinem Schmerz und der hilflosen Verzweiflung eine tiefe Sehnsucht nach Vergangenem, ja manchmal vielleicht auch eine Glorifizierung von gemeinsam Erlebten, geworden. Ich habe lange gebraucht um deinen frühen Tod, ohne aggressive Wut auf den Verursacher begreifen zu können. Aber verstanden habe ich ihn immer noch nicht. Heute, achtzehn Jahre nach diesem schrecklichen Ereignis, ist es für mich zu etwas Unumkehrbaren geworden, zu einer Zäsur, die mein Leben so grundlegend veränderte und ihm teilweise auch den Sinn und die Basis entzog. Vor einigen Wochen war ich an deinem Grab, doch der Verlustschmerz war nicht mehr so erdrückend wie früher, denn die Erinnerung an dich ist anders geworden. Es ist wie eine unbewusste Melancholie in unendlichen Momenten, mal stärker, mal schwächer, aber so beständig wie die Zeit. Es ist ein Gefühl, das so existenziell ist, dass man es weder in Worte fassen, noch mit anderen Menschen teilen kann. Auch jetzt ist es da, aber so stark, dass es körperlich weh tut und mich an meinen eigenen Tod denken lässt, obwohl ich mich mehr an dich erinnern möchte. Ich bin kein gläubiger Mensch, und selbst wenn ich es jemals gewesen sein sollte, dann habe ich diesen Glauben verloren, aber ich weiß, dass wir uns irgendwann und irgendwo wiedersehen und in die Arme nehmen werden. Warte, dort wo du bist, ich weiß nicht wo das ist, aber ich werde dich finden wie ein Fisch, der an den Ort seiner Geburt zurückkehrt. Ich dich „liebetiger“.
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#: 1168 | ![]() Lieber Tiger, | Vor einigen Jahren habe ich einen Freund an seinem Geburtstag gefragt, was er sich denn noch so wünsche im Leben und er hat geantwortet, dass er gerne mit seinem Enkeln noch Fußball spielen möchte. "Ich beneide dich", habe ich gesagt, "das würde ich auch gerne tun, aber ich kann das nicht, denn vor 18 Jahren sind mit meinem Sohn auch meine zukünftige Schwiegertochter und meine zukünftigen Enkel gestorben." Mit ihnen bin auch ich als Vater, Großvater und Schwiegervater gestorben, denn ich bin heute nicht mehr der, der ich vor 18 Jahren, 6570 Tagen, 157680 Stunden und fast 10 Millionen Minuten einmal war. Woher ich die Kraft nehme, um dir unter diesen Umständen zum Geburtstag zu gratulieren und dir alles Gute für die Zukunft zu wünschen, weiß ich nicht. Vielleicht ist das die Liebe, die ich wie am Tag deiner Geburt für dich empfinde. Pass auf dich auf – wo immer du auch bist. Ich dich „liebetiger“
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#: 1167 | ![]() Lieber Tiger, | vor wenigen Wochen ist nun auch Opa in unsere Erinnerungen gegangen. Obwohl ich wusste, dass in seinem Alter jeder einzelne Tag ein Geschenk ist, hatte ich doch immer die Hoffnung, dass es noch sehr viele Tage sein würden. Ich habe versucht ihm Mut zu machen, doch zuletzt wollte er einfach nicht mehr. Nach so vielen Jahren sei es nun an der Zeit, hat er gesagt und mit mir über seinen Tod gesprochen als wäre es eine alltägliche Selbstverständlichkeit. Aus seinem Leben hat er erzählt und seine Jugend geschildert, die vom Krieg jäh beendet wurde. Über seine Eltern und seine sechs Geschwister hat er gesprochen, die er alle im Laufe seines Lebens zu Grabe getragen hat. Nach all dem Erlebten schrecke ihn der Tod nicht mehr, hat er gesagt und im gleichen Satz von seinen geliebten Enkeln und Urenkeln gesprochen. Ich habe ihm zugehört, habe ihn reden lassen, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Zuhören dort helfen kann, wo die Medizin kläglich versagt. „Wie ist das, wenn man ein Kind verliert“, hatte er von mir wissen wollen, und weil ich ihn in seiner Situation nicht zusätzlich belasten wollte, sagte ich nur „schlimm“, doch er hatte mich verstanden und begann zu weinen. In diesem Moment war ich meinem Vater und deinem Opa so nahe wie noch nie, denn erst das Alter hat uns zu guten Freunden werden lassen, nachdem wir viele Jahre miteinander geschmollt hatten. Es fällt mir schwer zu glauben, dass er nun nicht mehr da ist. Aber ich weiß, dass er nun bei dir ist und wir uns wiedersehen, sobald auch meine Zeit um ist. Pass auf dich auf, wo immer du auch bist und gib auf Opa acht. Ich dich „liebetiger“.
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#: 1164 | ![]() Geburtstage sind wie die Blätter an einem Baum. Man glaubt, man hätte unzählig viele, doch sie fallen mit einer tödlichen Beharrlichkeit und ehe man sich versieht, ist der Baum des Lebens kahl. Oma, Opa und Philipp sind im Herbst ihres Lebens von uns und zu dir gegangen. Phillip so jung und unschuldig wie du. | Den Schuldigen ihre Schuld zu vergeben fällt anfangs schwer, und wenn man im Lauf der Jahre ihre zunehmende Gleichgültigkeit miterleben muss, dann bereut man zutiefst, dass man es getan hat. Für Eltern sind Kindergeburtstage auch Freudentage. Für verwaiste Eltern sind sie wehmütige Erinnerung und das wird so bleiben, bis das letzte Blatt am eigenen Lebensbaum gefallen ist. Ich kann nicht schreiben, was ich fühle, aber du weißt es. Ich muss auch nicht sagen was ich denke, denn niemand würde es verstehen, aber du weißt es. Du und ich, wir wissen, was Andere nicht ahnen. Wir haben erlebt, woran Andere nicht denken. Wir haben erfahren, was niemand sich vorstellen kann. Dieses Erleben, dieses Wissen und diese Erfahrung haben uns getrennt von diesen Anderen. Dir hat es den Tod gebracht und mich in anderes Leben katapultiert. In ein Leben nach dir und in ein Leben ohne dich, in dem das tägliche Miteinander durch schmerzliche Erinnerung ersetzt wird. Heute ist einer der Tage im Jahr, an denen das Bewusstsein über das Geschehene besonders stark und besonders schlimm ist. Stark, weil ich dich noch immer liebe wie am ersten Tag und schlimm, weil ich die Gleichgültigkeit der Menschen ertragen muss, die dich nach all den Jahren bereits vergessen haben oder dich niemals kennenlernen durften. Im Leben nach deinem Tod habe ich die Menschen und den Unterschied zwischen Ignoranz, Dummheit und Unwissen kennengelernt. Unwissenden mache ich keinen Vorwurf und will sie mit meinem Wissen auch nicht belasten, aber von Ignoranten und Dummen und vermeintlichen Freunden habe ich mich getrennt. Mein Leben nach deinem Tod ist anders geworden. Wir haben das so nicht gewollt. Pass auf dich auf, wo immer du auch bist. Alles Gute zum Geburtstag mein Sohn. Ich dich „liebetiger“.
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#: 1158 | ![]() Lieber Tiger, | 16 Jahre und kein Tag, an dem ich nicht an dich gedacht und mich erinnert habe. Erinnerungen, immer gleich und immer wehmütig froh, die ohne Zukunft im Traum verblassen. Ein zitternder Schatten im Wind, Stille im Dunkel, ein Hauch von Leben, Sehnsucht nach Nähe, Liebe im Herzen – das bist du, seit sechzehn Jahren und kein Tag ist ohne dich Doch die Zeit hat kein Raster, keine Einteilung und keine Dimension. Tage, Wochen und Monate sind ohne Bedeutung, es gibt nur ein „vor dir“, „mit dir“ und ein „nach dir“. Ohne dich ist nicht nichts, aber weniger als vor dir. Ohne dich ist nicht nichts, aber ohne dich ist nicht mehr viel. Ohne dich sein, fällt mir immer noch schwer und zu vergessen beginnen, wie es mit dir war, das kann ich nicht. Aber ich kann dich näher denken als du bist, kann deine Nähe spüren und glücklich sein in meinem Schmerz. So wie jetzt, so wie heute und so wie an diesem Tag. Pass auf dich auf, wo immer du auch bist. Ich dich „liebetiger“.
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#: 1157 | ![]() Unsichtbar | Ich seh die Sterne nur bei Nacht, doch auch am Tage sind sie da, unsichtbar. Ich seh die Sonne nur am Tag, doch in der Nacht ist sie auch da, unsichtbar. Ich seh den Wind überhaupt nicht, ich spür ihn nur durch mein Haar, unsichtbar. Ich seh die Kraft nicht, die ich hab, wenn ich sie brauch, dann ist sie da, unsichtbar. Ich seh die Hoffnung nicht, doch sie ist wahr, unsichtbar. Ich seh die Liebe nicht, doch spür ich sie so klar, unsichtbar. Ich seh dich nicht, geliebtes Kind und weiß doch, du bist da, unsichtbar. (Dagmar Geyer) Gib deinen Lieben in diesen schweren Tagen ein kleines Zeichen. Sie brauchen es! Daggi mit Nino für immer
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#: 1156 | ![]() Lieber Ingo, auch wenn ich schon längere Zeit hier auf deiner Seite nichts mehr von mir hab hören lassen, so denke ich sehr viel an dich. Ob an deinem Geburtstag oder an deinem Todestag. Und bei jedem Bayern Spiel. Ich hoffe das es dir, Philipp, Oma und Opa da oben gut geht. Und dass wir aufeinander aufpasst. Das ist das einzige was mich etwas tröstet, zu wissen ihr alle da oben seid zusammen. Wir werden uns Wiedersehen lieber Cousin. Aber so lange passt ihr auf uns auf ja? In Liebe deine Jasmin ❤️ |
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#: 1155 | ![]() Lieber Tiger, | auch wenn man wie ich, einen geliebten Menschen wie dich verliert, lebt man nicht allein. Man lebt mit anderen Menschen und mal lebt unter anderen Menschen, aber manchmal leidet man auch unter ihnen. „Wusstest du, dass die meisten Menschen entweder sechs Monate vor ihrem Geburtstag oder sechs Monate nach ihrem Geburtstag sterben“, wollte jemand in fröhlicher Runde wissen. Er hielt es für einen Scherz, doch ich konnte darüber nicht lachen und als ich vom Tisch aufstand um meinen Schmerz nicht zu zeigen, bemerkten die Anderen, dass etwas geschehen war, das sie nicht verstanden. „Sein Sohn“, hörte ich jemand erklärend sagen, als ich den Raum verließ um allein zu sein. Allein mit der Erinnerung an dich, die ständig in mir schlummert und mit mir lebt, aber manchmal so brutal zuschlägt, dass es mir das Herz zerreißt. Heute, an deinem Geburtstag, bin ich am Abend wieder bei Freunden eingeladen. Es sind Freunde, die du nicht kennst, denn Freunde aus der Zeit mit dir habe ich keine mehr. Es sind Menschen, die dich nicht kennen, ja teilweise noch nicht einmal wissen, dass ich einmal einen Sohn hatte, denn ich spreche nicht oft darüber. Wir werden zusammensitzen, gemeinsam essen, etwas trinken, uns unterhalten und auch der eine oder andere Scherz wird Anlass zum Lachen sein. Aber ich habe Angst, dass ich wieder aus dem Zimmer gehen muss, weil mir die Erinnerung an dich, dass salzige Wasser aus den Augen drückt. Fünfunddreißig Jahre ist das jetzt her, dass ich dich zum ersten Mal gesehen habe und es war Liebe auf den ersten Blick. Schenk mir doch noch einmal dieses wunderschöne Lächeln, das mir so furchtbar fehlt. Alles Gute zum Geburtstag, Tiger. Ich hab dich lieb. Einträge: 395 | Seite: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 >> | |